Freitag, 10. Oktober 2008

Selbstbefreiung

Ein Beispiel von jemandem, der sich nie gefunden hat.


Sie kriechen winselnd vor ihm her
Er hört sie weinen, betteln, flehn
Sie wollen leben, doch er starb zu oft
Wie konnten sie ihn übersehn?

Er hört sein Herz, es schlägt für ihn
Er hat sich Fehler nie verziehn

Er hört sein Herz, es schlägt zu laut
Er hat sich niemals selbst vertraut

Er läuft verirrt den Gang entlang
Schießt wahllos auf die Massen
Die, die ihn nie sehen wollten
Bis er lernte, sie zu hassen

Er steht vorm Spiegel, schaut sich an
Merkt, dass er nichts erkennen kann

Verzweifelt lautlos an den Tränen
Die hinter seinen Augen brannten
Denkt grinsend daran, als er kam
Und sie um ihre Leben rannten

Plötzlich bemerkten sie ihn
Endlich blickten sie ihn an
Und er genoss die blanke Angst
Die ihnen aus den Augen rann

Er sieht die Massen, blickt sich um
Wie sie dort liegen, tot und stumm

Er geht 'nen Schritt, ein kleines Stück
Doch nicht nach vorn, sondern zurück

Er dreht sich um sich selbst und schreit
"Warum nur triebt ihr mich so weit??"
Schießt sich ins Herz, die letzte Tat
Besiegelt den Verrat.

5 Kommentare:

Jay Nightwind hat gesagt…

Hat Jemand gerade Columbine oder Erfurt gesagt? Mir war so.

Ich finde es toll geschrieben und das obwohl es ein Klischee wiederspiegelt (bzw. wiederspiegeln könnte, denn meine Deutung muss ja nicht stimmen) das ich auf keinen Fall vertreten kann.

Aber, deinen Erfolg, liebste Teresa, mit diesem Gedicht ein bewegendes Stück Text zu schreiben will ich nicht schmälern. ;)

Anonym hat gesagt…

Inwiefern spiegelt es denn deiner Meinung nach ein Klischee wider?

Karen hat gesagt…

Das vom missverstandenen, Aufmerksamkeit suchenden Menschen, der den einzigen Ausweg in einem Massaker sucht. Das Klischee, dass der Täter das eigentliche Opfer ist, denk' ich mal.

Aber es ist wirklich toll geschrieben, gefällt mir gut - und das sogar noch nach so 'nem langen Tag wie heute. Du bringst die Gefühle echt gut rüber.

Jay Nightwind hat gesagt…

Wie gesagt:

Erfurt, Columbine.

Ich habe den "Er läuft verirrt den Gang entlang
Schießt wahllos auf die Massen" Abschnitt als Anspielung auf Ego-Shooter verstanden. Durch den Zeitversatz, weil er ja danach vorm Spiegel steht, kann dieser Eindruck entstehen.
Aber, das ist natürlich Interpretationssache und war vermutlich keine Intention.

Anonym hat gesagt…

Äh, nee, von dem Ego-Shooter und Killerspiele Klischee halte ich mal so gar nichts, so war es nicht gedacht.

Karen dagegen beschreibt meiner Meinung nach kein Klischee. Ich weiß nicht, wie es bei anderen Amokläufen war, ich bin vor allem mit dem in Emsdetten vertraut. Ich hab mir die Tagebucheinträge des Täters und einie Presseberichte durchgelesen und dann sprudelte es aus mir aus...
Wie auch immer.
Danke.