Samstag, 23. August 2008

Loslassen

Sonntagmorgen und der Morgentau
Flieht gemeinsam mit dem Morgengrau.
Es röten Deine kalten Wangen,
Und erfüllt wird lebensfroh die Luft
Von des frisch gefallnen Laubes Duft.
Hältst freudig Händchen, voll Verlangen

Nach allem Neuen, das sich zeigt,
als lächelnd sich Dein Köpfchen neigt.
Dann löst Du Dich aus unsrer Mitte
Und entdeckst, was dort am Boden fleucht.
Deine Augen werden groß und meine feucht.
Es folgen Deine ersten Schritte.

9 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Warum auch immer wurde mein gerade geschriebener, ellenlanger Kommentar nicht gespeichert. -.-
Also nochmal, etwas kürzer:

Sehr schönes Gedicht!
Der Rhythmus ist perfekt, wodurch sich das Gedicht super lesen lässt. Was andres kannst du dir aber auch gar nicht erlauben, nachdem du die anderen Gedichte so zerpflückst. ;)
Das Reimschema gefällt mir sehr gut.

Was dein Gedicht von den anderen beiden unterscheidet, ist natürlich auch, dass aus der Sichtweise der Eltern erzählt wird.

Beim ersten Lesen wusste ich erstmal gar nicht, von wem denn da jetzt gesprochen wird, das hat sich mir erst nach und nach erschlossen, wenn ich ehrlich bin, erst im letzten Vers. Das finde ich aber toll, weil der Leser dann genau wie die Eltern erstmal ahnungslos ist, dass das Kindlein gleich die ersten Schritte tun wird.
Das Ende ist somit gut gelungen. :)

Andreas Arnold hat gesagt…

Oh, ja, das kenne ich. Man schreibt und schreibt, und kaum drückt man das Knöpfchen, ist es weg. Ich habe mir angewöhnt, alles erst mal in den Zwischenspeicher zu holen bis ich irgendo drauf drücke. Das spart Zeit und Nerven ;-)

Nun zu Deiner Kritik: Es freut mich, dass es Dir gefällt. Über den Titel habe ich lange nachdenken müssen. Erst wollte ich es "Der erste Schritt" nennen, aber das hätte die Wirkung der letzten Verszeile vollständig genommen. "Loslassen" empfand ich als die Passendste meiner Einfälle, wenn auch ich mir nicht sicher war, ob es genügend auf das Thema hinweist. Aber es trägt eine Doppeldeutigkeit in sich, die m. E. dafür entschädigt ;-)

Die Perspektive wählte ich, weil sie vieles bilateral widerspiegelt, was Liebe zwischen Eltern und ihren Kindern ausmacht: Halt geben, Stolz, Freude, aber auch eben Freiraum bieten, Loslassen.

Ich freue mich auf die Kommentare der anderen und noch mehr, wenn sie ebenso "zerpflückend" sind wie meine ;-)
Gibt es denn etwas besseres als nicht nur zu wissen, dass, sondern auch weshalb, etwas als gelungen oder verbesserungswürdig empfunden wird ... ?

LG,
Lichtträger

PS Ganz im Gegensatz zu den hohlen Kommentaren des einsamen und nun ungelesen bleibenden Dings84 *gg*

Anonym hat gesagt…

Gefällt mir bisher von den Geschriebenen des Themas am Besten. Die Sichtweise ist gut gewählt und es liest sich echt schön, finde ich. Gut gemacht. :)

Mal sehen...vielleicht setze ich mich auch noch an "Elternliebe"...denke aber eher nicht.

Andreas Arnold hat gesagt…

Das freut mich sehr, Marco, aber schreib doch auch zum Thema. Kannst es ja nachreichen. Ausgerechnet meinem Thema willst du dich entziehen *schluchz*

Karen hat gesagt…

Das Gedicht is wirklich wunderschön, ein bisschen verwirrt hat's mich nur, dass der Satz zwischen beiden Strophen weitergeht. Im Grunde passt das aber auch zum Thema des Gedichts. Eltern müssen loslassen (neue Strophe), bleiben aber trotzdem noch mit ihrem Kind in enger Verbindung (der Satz geht auch im neuen Abschnitt weiter).

Das Reimschema ist auch prima gelungen, und man hat nirgends das Gefühl, dass du zwingend nach Reimen gesucht hast. Nichts wirkt gekünstelt. Wirklich klasse.

Dass du nicht "Der erste Schritt" als Titel genommen hast, war auch eine richtige Entscheidung, wie ich finde.
Zwar hätte es auch eine gewisse Doppeldeutigkeit gehabt (wörtlich genommen: Das Kind macht seinen ersten Schritt bzw. übertragen: Der erste Schritt der Eltern, das Kind seinen eigenen Weg gehen zu lassen). Aber "Loslassen" find' ich dennoch besser, weil es nicht so eindeutig ist.

Das Gedicht is echt toll geschrieben. Könnte glatt aus einem meiner alten Deutschbücher sein (ja, das ist ein Kompliment ^^).

Jay Nightwind hat gesagt…

Der erste mit anderer Perspektive, ich find es toll.

Andreas Arnold hat gesagt…

Liebe Meadow, das i s t ein Kompliment. Ich verneige mich ganz tief. Lieben Dank. Auch Deine Interpretation der Strophentrennung empfand ich sehr interessant. Die Titelidee ist eine Überlegung wert.

Lieber Jay, auch Dir besten Dank. Es freut mich, dass es mit Dir vorbehaltlos allen gefiel. Dann war die Woche Arbeit damit nicht verschwendet. Obgleich es nie verschwendete Zeit ist, sich mit Sprache und Lyrik zu beschäftigen ;-)

Euch allen noch einen schönen Sonntag.

mkh hat gesagt…

Es sind die kleinen Momente, mit denen große Veränderungen beginnen. Genau das ist hier wunderschön eingefangen.

Für mein Empfinden schwingt eine sehr berührende, leise Melancholie in Ihrem Gedicht. Ich denke, diese Stimmung betonen Sie auch ganz bewusst mit der sechsten Jambenhebung in V11, wo eigentlich nur 5 Hebungen zu erwarten wären: "Deine Augen werden groß und meine feucht." Genau hier wechselt aber auch die Perspektive für einen Moment - sehr schön eingefädelt!

Und gleich danach der große Satz "Es folgen deine ersten Schritte". Ein großer Schritt!

Und da m e i n kleiner Weltentdecker gestern das erste Mal selb-ständig gestanden hat, berührt mich der Text umso mehr.

So, mehr zerpflückt wird nicht.

Fein gedichtet, Herr Lichtträger!

Andreas Arnold hat gesagt…

Vielen, lieben Dnak, werter mkh, ich dachte schon, es fiele keinem auf ;-)
Ich lese es sogar mit einer Zäsur zwischen 'groß' und 'und', was den Effekt m. E. noch weiter verstärkt. Es freut mich, dass Sie die Stimmung ebenso intensiv empfinden wie ich sie erhoffte, übertragen zu können. Ich habe dieses Gedicht übrigens erst in Prosa geschrieben und anschließend gekürzt und in seine lyrische Form gebracht. Ein guter Weg, wie ich finde.