Samstag, 20. September 2008

Die späte Einsicht des verbitterten Affen

Mit der Faust um den Basalt nicht länger Affe sein,
daher aus dem Hinterhalt mein einstges Brüderlein
erschlagen war im tiefen Wald, und so voll Bitternis
berief ich mich alsbald zum großen homo habilis.

Den anderen Waldestieren war ich ein wachsend Ärgernis,
als, kaum mehr auf allen Vieren, erwuchs Sapientias Genesis.
Homo sapiens wollt ich sein, mehr noch: sapiens sapiens gar,
und schuf aus toten Brüderlein meinen grausigen Geburtsaltar.

Und nun, kurz vor dem eignen Exodus, im letzten Menschenjahr,
mit Blick auf meiner Brüder Exitus, wird sterbend mir gewahr:
Ich war nie mehr als homo amarus!

6 Kommentare:

Karen hat gesagt…

Puh, schwere Kost ^^ Und um ehrlich zu sein, ich musste meinen guten, alten Pons nochmal rausholen um nachzuschlagen, was "amarus" bedeutet. Hätte man sich beim Titel allerdings auch erschließen können ^^

Naja. Zum Gedicht mal ein paar Gedanken meinerseits:

Inhaltlich ist es durch die ganzen Bezeichnungen ja sowas wie die Evolution der Menschen. Homo habilis, sapiens, spaiens sapiens. Das Ganze auf Kosten der Brüderlein. Wie ich das deuten soll, weiß ich noch nicht - survival of the fittest? Schon wieder Evolution, dass sich nur der Stärkste fortpflanzen/weiterentwickeln kann, und in diesem Kampf ums Leben keine Zeit ist, sich um die schwächeren, "kleineren Brüder" zu kümmern. Wär so die Interpretation eines Biologen, also meine. ^^

Während dieser Evolution verdrängt der werdende Mensch immer weiter auch andere Lebewesen, bzw zerstört ihren Lebensraum oder wird ihnen auf ähnliche Weise zum "Ärgernis" (S2V1). Steht übrigens in nettem Kontrast. Sobald die Weisheit entsteht ("Sapientias Genesis"), nimmt die Rücksicht auf andere Lebewesen ab.

Was schwierig ist, ist die letzte Strophe. Das LI steht vor dem eigenen Tod. Soweit ja noch ganz logisch. Mir stellt sich nur folgende Frage: Das LI steht ja in gewisser Weise für die gesamte Menschheit. Warum steht die Menschheit nun kurz vor dem Aussterben? Ist damit wirklich physisches Sterben gemeint, dass der Mensch sich seine eigenen Lebensgrundlagen zerstört (Thema Klimaerwärmung), oder ist damit die Menschlichkeit gemeint?
Wenn dem so wäre, dann würde der letzte Vers einiges ändern.
Das LI hat eingesehen, dass all die "Titel" wie sapiens oder gar sapiens sapiens, nichts wert sind, da er im Grunde nur ein verbittertes Wesen ist. Diese späte Einsicht, wie es im Titel heißt, würde dann wiederum die Möglichkeit erschließen, dass die Menschlichkeit zurückkehrt. Einsicht ist der erste Wert zur Besserung und so.

So ganz erschließt sich mir auch der Sinn des vorletzten Verses noch nicht. Bereut das LI den Tod der "Brüder"? Oder hat es nur selber Angst vor dem Tod? Oder hat es Schuldgefühle? ...

Uh, und was mir jetzt auch noch auffällt: Was ist das mit der Faust um den Basalt? Soll das das Benutzen einer Waffe andeuten? Steinzeit eben, als das erste Mal Werkzeuge benutzt wurden, was als erster Schritt zur Intelligenz gesehen wird... Wär eine Möglichkeit... Könnte ja aber auch Anderes meinen ^^ Ich bin zu sehr durch Bio und Evolution geprägt *g*


Wie dem auch sei, ein tolles Gedicht, sofern man mit den ganzen Fremdwörtern umgehen kann. Und auch, wenn ich bei manchen Sachen noch nicht ganz dahintersteig, was sie bedeuten, die Stimmung kommt rüber.

Anonym hat gesagt…

Man man man, wie fällt dir denn sowas ein? Wie lange hast du dafür gebraucht?

Ziemlich toll, wie du deine Gedanken da verpackt hast, gefällt mir.
Ich hab's jedoch erst nach dem Lesen von Meadows Interpretation richtig verstanden.

Du schreibst immer so "schwere" Gedichte. ^^

Karen hat gesagt…

Vorausgesetzt natürlich, meine Interpretation is richtig ^^

Jay Nightwind hat gesagt…

Mir gefällt es sehr gut. Vielleicht eins deiner besten hier.
Anspruchsvoll, intelligent, durchaus düster und für mich beinhaltet es eine Warnung.
Das muss ein Gedicht erstmal schaffen.
Gute Arbeit.

Anonym hat gesagt…

Gute Arbeit kann auch ich nur sagen. Toll gemacht. Würde auch gerne wissen, wie lange du gebraucht hast. :)

Andreas Arnold hat gesagt…

Vielen Dank für eure wohlgesonnenen Kommentare. Das ist tatsächlich nach Langem mal wieder eines, von dem ich in jedem Punkt überzeugt bin. Schön, dass ihr es auch so seht ;-)

Der Inhalt wie er mir vor AUgen war, als ich das Gedicht schrieb:

Das LI ist die gesamte Menschheit in Personalunion und sinniert, in einer fernen Zukunft, kurz vor seinem eigenen Aussterben stehend, über seine Entwicklung, wie er, sich besser als seine Wurzeln, nämlich dem Tierischen, wähnend, Werkzeug erschuf, um sich alles, hier speziell: seine einstigen Brüder, Untertan zu machen, wie er sich über allem stehend zu machen versuchte, der wissende, Vernunft begabte Mensch zu sein versuchte, sich selbst gar zu übertrumpfen suchte, was meiner Interpretation des heutigen Menschen, homo sapiens sapiens, entspräche, um aber dann letztlich, rückblickend festzustellen, dass er eben nichts besseres war, sondern nur ein verbitterter Mensch(-enaffe), der alles zerstört hat und letztlich auch sich selbst.

Gebraucht habe ich den kompletten Samstagvormittag, um es zu schreiben. Die Erstfassung war wohl nach einer Stunde komplett (inkl. Wikipediarecherche *gg*) und im Anschluss überarbeitete ich noch ein paar Stunden, unterbrochen jedoch von zwei Geschichten, an denen ich im Moment schreibe.

Freu mich sehr, dass es uns allen gefallen hat *freu*

Schönen Sonntag euch,
der Lichtträger